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Ich sage „Auf Wiedersehen“ als Stadträtin und Fraktions- vorsitzende DIE LINKE. Kamenz!

Erstellt am: 16 Juli, 2020 | Kommentieren

Ich bedanke mich für die herzliche Verabschiedung im Stadtrat Kamenz. Ich bin sehr berührt und glücklich, dass ich mich in das Goldene Buch der Stadt Kamenz eintragen durfte. Vielen, vielen Dank für die vielen Glückwünsche!

Meine Abschlussrede zur Kommunalpolitik Kamenz am 15. Juli 2020

„Mehr Transparenz, Öffentlichkeit und Einwohnerbeteiligung in der Stadt Kamenz wagen“ von Marion Junge, Fraktionsvorsitzende und Stadträtin DIE LINKE. Kamenz

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dantz,
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
Liebe Einwohner/innen und Gäste,

die Kommunalpolitik lebt vom Engagement, partnerschaftlichen Miteinander und kreativen Ideen ihrer Einwohner/innen. In den vergangenen 30 Jahren habe ich meinen Beitrag für eine soziale, bürgerbeteiligte und transparente Kommunalpolitik in der Stadt Kamenz geleistet.

Ich bin froh und glücklich, diese kommunalpolitischen Erfahrungen und Erlebnisse mit vielen Menschen und Kommunalpolitkern gemacht zu haben. Ich bedanke mich bei meinen Freunden, Wähler/innen, Genossinnen und Genossen, Mitstreiter/innen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung für die langjährige Arbeit zum Wohle der Stadt Kamenz und ihrer Einwohner/innen.

Als ich als junge Frau und Mutter am 6. Mai 1990 in die 1. Stadtver- ordnetenversammlung der Stadt Kamenz gewählt wurde, wusste ich nicht, dass die Kommunalpolitik mein Leben und das Leben meiner Familie entscheidend beeinflusst. Damals wie heute war meine Motivation für diese wichtige ehrenamtliche Arbeit, das Leben und die Zukunft unserer schönen Lessingstadt Kamenz aktiv mit zu gestalten.

1990 stand das Suchen nach Wegen der Demokratieausübung im Vordergrund. Diese ersten 4 Jahre waren spannend und arbeitsintensiv. Es gab noch keine gesetzlichen Regelungen. Nicht der Bürgermeister leitete damals die Stadtverordnetenversammlung, sondern Herr Dr. Krah als gewählter Stadtverordneter. Die Räte und Fraktionen hatten vielfältige Möglichkeiten, sich selbst mit Ideen und sehr unbürokratisch einzubringen.

In den vergangenen 30 Jahren lernte ich viele gute Freunde und Mitstreiter/innen in und durch die Kommunalpolitik kennen. Ich erinnere mich gern an die erfolgreichen Bürgerinitiativen, zahlreichen Einwohnersprechstunden und kommunalpolitischen Veranstaltungen.

Das erste Bürgerbegehren in der Stadt Kamenz fand im Herbst 2006 statt mit dem Ziel, die Grundschule Wiesa und die Grundschule auf dem Gickelsberg langfristig zu erhalten und zu modernisieren. Dies ist uns erfolgreich gelungen! Heute überlegen wir sogar die Grundschulplätze bis 2025 auszubauen.

Weitere erfolgreiche Bürgerinitiativen – das Bürgerbegehren für die Abschaffung der Beigeordnetenstelle 2008 und der Einwohnerantrag für einen Bestattungswald 2014.

Drei sehr unterschiedliche Bürgermeister erlebte ich in den vergangenen 30 Jahren – Lothar Kunze, Arno Bock und Roland Dantz.

Dem Privatisierungs – Boom der 90iger Jahre folgten unweigerlich finanzielle Probleme der Stadt, aus denen wir uns in den 2000er Jahren gemeinsam durch Konsolidierung und eine erneute Stärkung der städtischen Gesellschaften herausarbeiteten. Damit einher ging eine Stärkung der Einwohnerbeteiligung durch Ortschaftsräte, Berufene Bürger/innen, AG Soziales, Anschwung-Initiative, Bürger-Dialog Stadtentwicklung Kamenz.

Für mich als Stadträtin war es immer wichtig, die Bürgerschaft zu mobilisieren, ihre Ideen aufzugreifen und mit ihnen Kommunalpolitik zu gestalten. An verschiedenen Konzepten und Leitbildern haben wir gemeinsam gearbeitet, z.B. Familienfreundliche Stadt, Leitbild für Kamenz 2025+, Bürger-Haushalt.

Seit Ende 2011 gibt es auf Initiative meiner Fraktion DIE LINKE das Bürgerinformationssystem. Die Bürger/innen haben die Möglichkeit sich über die Tätigkeit des Stadtrates und der Ortschaftsräte und deren öffentlichen Beratungen online zu informieren und sich selber in die Diskussion einzubringen. Mehr Transparenz, Öffentlichkeit und Zusammenarbeit zwischen Oberbürgermeister, Verwaltung, Stadtrat und Einwohner/innen ist notwendig, um Mitwirkung und Mitgestaltung aktiv zu ermöglichen.

Mittlerweile findet leider wenig partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Stadtrat, Oberbürgermeister und Stadtverwaltung statt. Eine Stadtverwaltung und städtische Einrichtungen, die nicht direkt mit den Stadträten kommunizieren dürfen, verlieren den Kontakt zum von den Bürgern gewählten Stadtrat. Dies schränkt die Demokratie erheblich ein.

Der Ausbau der Bürgermeister-Demokratie und damit die gesetzliche Stärkung der Stellung des Bürgermeisters durch den Freistaat Sachsen halte ich persönlich für problematisch, weil dies zur Schwächung des Stadtrates und der Einwohnerbeteiligung führt.

In den vergangenen 5 Jahren erlebe ich eine stark vom Oberbürgermeister geprägte Kommunalpolitik. Nur noch wenige Anträge werden durch die Stadtratsfraktionen selbständig gestellt. Unliebsame Anträge und Initiativen werden verschoben, ausgebremst und häufig nichtöffentlich beraten. Diese aus meiner Sicht intransparente und bürgerunfreundliche Politik führt zu Frust, Resignation und Ablehnung.

Mein Rücktritt als stellvertretende Bürgermeisterin 2018 aufgrund von Diffamierungen meiner Person im Ältestenrat war ein Alarmsignal, dass nur Wenige zur Kenntnis genommen haben. Ein weiter so in der Kommunalpolitik kann es aber nicht geben!

Auch in dieser neuen Legislatur gibt es wenig partnerschaftliche Zusammenarbeit des Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung mit dem Stadtrat Kamenz.

Die für mich schwierigste Auseinandersetzung ist der Umgang mit der Freien Alternativschule in Kamenz. Seit Sommer 2019 gab es fortlaufend Gespräche mit dem Verein betreffs der geplanten Schulgründung im Stadtgebiet Kamenz. Ein wirklich umsetzbares Angebot für eine freie Grund- und Oberschule gab es seitens der Stadtverwaltung nicht. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! – Gerade im Bildungsbereich sollten wir dieses Angebot einer freien Alternativschule unterstützen.

Nach 30 Jahren ehrenamtlicher Arbeit als Stadträtin, Fraktionsvorsitzende und von 2005-2018 als stellv. Bürgermeisterin möchte ich aus persönlichen und beruflichen Gründen ausscheiden.

Ich habe sehr gern diese umfangreiche ehrenamtliche Arbeit gestaltet. Die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und der Ausbau der kommunalen Demokratie sind wichtige Aufgaben, um die politischen Entscheidungen gemeinsam mit den Einwohner/innen zu treffen und zu gestalten. Transparenz, Öffentlichkeit, echte Einwohnerbeteiligung und Barrierefreiheit sind die Grundlage für eine bürgerbeteiligte Politik mit und für die Menschen in der Stadt Kamenz.

In diesem Sinne verabschiede ich mich und wünsche allen Einwohner/innen, Stadträtinnen und Stadträten, den Mitarbeitern der Stadtverwaltung und dem Oberbürgermeister weiterhin alles Gute, viel Erfolg und kluge zukunftsgestaltende Entscheidungen für die Stadt Kamenz.

Eure Marion Junge

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