Kamenz protestiert gegen Anschlag!
Erstellt am: 1 März, 2012 | Kommentieren
SZ, 1. März 2012 von Reiner Hanke & Frank Oehl
Mehr als 400 bildeten eine Menschen- und Lichterkette am neuen Asylheim. Darunter viele junge.
Ein frischer Wind blies gestern Abend am neuen Asylbewerberheim in Kamenz. Behutsam hatte Heike Hahn ihre brennende Kerze zwischen die Hände genommen, damit sie nicht verlöscht. Schützend hatte sie sich gemeinsam mit mehr als 400 Bürgern der Stadt und darüber hinaus in einer langen Menschenkette vor das Heim gestellt. Aufgerufen dazu hatten die Kirchen der Stadt, Politiker und das Kamenzer Toleranzbündnis. Heike Hahn sagt: „Wir können doch die Augen nicht verschließen vor dem Unrecht, wenn andere Menschen bedroht werden.“ Menschen, die hier Zuflucht suchen.
Vor genau einer Woche hatten in der Nacht vermummte Gestalten einen Anschlag auf das alte Heim in der Gartenstraße verübt und 24 Fenster eingeschlagen. Dort wohnen derzeit noch 170 Flüchtlinge. Landrat Michael Harig sagte gestern zu den versammelten Menschen: „Ich schäme mich für diesen Überfall und entschuldige mich bei all jenen, denen er gegolten hat.“
Und der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz erinnerte an die zerschlagenen Scheiben. Was komme dann? Brennende Häuser und schließlich brennende Menschen? „Das können wir nicht zulassen“, so Dantz. Er sei sich sicher, dass eine Mehrheit der Menschen im Kreis bereit ist, blindem Hass und Gewalt etwas entgegenzusetzen. Die Menschenkette mache das sichtbar und sei ein Sinnbild für den Schutz des Flüchtlingsheimes und ein deutliches Zeichen der Bürger, dass sie Angriffe auf das Heim nicht zulassen wollen.
Weder auf das alte, erst recht nicht auf das neue. Deshalb marschierte die bunt gemischte Menge mit jungen und älteren Leuten, mit Christen und Atheisten zum alten Flüchtlingsheim auf der Gartenstraße. Dort stellten die Kamenzer ihre brennenden Kerzen vor dem Heim ab. Gut 20 Bewohner des Flüchtlingsheims begleiteten den Zug. Ein junges Paar aus Indien war mit dabei. Der junge Mann lächelte beim Blick auf den langen Zug: Dass so viele Menschen an ihrer Seite stehen, darüber seien sie wirklich sehr froh.
Wie auch Jens Krüger vom Bündnis für Humanität und Toleranz. Der Lehrer hatte zuvor nicht damit gerechnet, dass so viele Leute dem vom Bündnis unterstützten Aufruf folgen würden. „Ich habe viele junge Leute, auch viele Schüler gesehen. Das stimmt mich froh.“
Martin Gillo, der Ausländerbeauftragte des Freistaates, war ebenfalls unter den Demonstranten. Er lobte die Stadt für die überaus schnelle Reaktion auf den Anschlag. „Die Kamenzer zeigen, dass sie sich Derartiges nicht gefallen lassen. Das ist gut so!“ Dies sei ein Beispiel, wie die Menschenwürde verteidigt werden kann und muss. Gillo, der am 2. März seinen Jahresarbeitsbericht geben wird, macht freilich kein Hehl daraus, dass er die Unterbringung von so vielen Asylbewerbern in einem Heim durchaus für ein Experiment hält. Nun müsse auch Geld in die Hand genommen werden, damit das Zusammenleben so vieler Menschen „wie in einer internationalen Dorfgemeinschaft“ auch gelingen kann.
Unterstützung dabei haben gestern viele Kamenzer signalisiert. Nicht nur Heike Hahn, sondern auch ihre Tochter Salomé. Die 18-Jährige engagiert sich in der Adventistengemeinde. „Man kann zwar sonst nicht so viel tun, aber das dann schon.“
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