Tolle Rede von Andre‘ Hahn auf dem Landesparteitag in Bautzen zur Arbeit im Sächsischen Landtag
Erstellt am: 7 November, 2011 | Kommentieren
Gut zwei Jahre der 5. Wahlperiode des Sächsischen Landtags sind inzwischen verstrichen, wir gehen auf die Halbzeit der Legislatur zu, und da bietet dieser Landesparteitag eine gute Gelegenheit, Bilanz zu ziehen – Bilanz unserer Arbeit, aber natürlich auch Bilanz der Arbeit einer Staatsregierung und einer Koalition von CDU und FDP, der wir uns als größte Oppositionsfraktion gegenübersehen. Und zugleich müssen wir über mögliche Alternativen reden.
Ich denke, es erwartet jetzt niemand von mir, dass ich hier unsere mehr als 150 Anträge, unsere 12 Gesetzentwürfe, 13 Große und mehr als 1.100 Kleine Anfragen, die wir allein im zurückliegenden Jahr eingereicht haben, im einzelnen erläutere. Ihr habt ein kleines Faltblatt vorliegen, es gibt einen Fraktionstisch mit diversen Materialien und es gibt nach wie vor ein inzwischen weiter verbessertes Internetangebot der Fraktion, in dem man sich über unsere Arbeit im Landesparlament umfassend informieren kann.
Alles in allem glaube ich sagen zu können, dass die Landtagfraktion in den zurückliegenden zwölf Monaten seit dem letzten Landesparteitag ihrer Verantwortung in der Opposition weitgehend gerecht geworden ist.
Wir haben die im Wahlprogramm der Partei beschlossenen Forderungen nach und nach parlamentarisch thematisiert, uns zu allen zentralen politischen Fragen öffentlich positioniert und natürlich – wie es unsere Aufgabe ist – das Regierungshandeln kritisch begleitet. Dazu gab und gibt es auch allen Grund. Ich komme darauf noch zurück.
Hinsichtlich der Themen, die uns im letzten Jahr bewegt haben und bei denen wir parlamentarisch tätig geworden sind, kann ich logischerweise nur einige wenige Stichworte nennen, und ich tue dies ohne Rang und Reihenfolge:
- Kampf gegen die Haushaltskürzungen im Sozialbereich, bei Jugend, Kultur, Gleichstellung sowie im Nahverkehr und auch bei der Polizei, um nur einige Knackpunkte zu erwähnen.
- Unterstützung für die Opfer des Sommerhochwassers von 2010,
- Einsatz für den Abbau der Ungleichbehandlungen bei Löhnen und Renten zwischen Ost und West sowie für eine weitestgehende Fortführung der EU-Förderung im Sozialbereich und bei der Landwirtschaft in Sachsen,
- Energiepreise; Abfallwirtschaft; Jagdgesetz, Datenschutz; Ärztemangel; gentechnikfreie Landwirtschaft; Integration von Migrantinnen und Migranten; Homophobie im Sport,
- Normenkontrollklage gegen das Ladenschlussgesetz und auch gegen das Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft,
- Kinder- und Altersarmut sowie die Finanznot der Kommunen;
- Umgang mit Obdachlosigkeit in unserem Land;
- Erhalt von Schulstandorten und Umsetzung der Lernmittelfreiheit;
- Minderheitenschutz und Sicherung der verfassungsmäßig verankerten Rechte des sorbischen Volkes;
- Beseitigung von Winterschäden auf den Straßen in Sachsen; Arbeits- und Wirtschaftsförderung, Rundfunkgebühren, Staatsmodernisierung, Handygate-Affäre, Vereinfachung der Volksgesetzgebung und so weiter.
- Schließlich bereiten wir uns auf die Fortschreibung des Landesentwicklungsplans vor, formulieren eigene Positionen und werden auch ein alternatives Leitbild vorlegen. Hinzu kommen die Untersuchungsausschüsse zum Sachsen-Sumpf und zur Müll-Mafia sowie die Enquete-Kommission, die nach wie vor aktiv arbeitet
Als einzige Landtagsfraktion der LINKEN haben wir zum 20. Jahrestag eine Große Anfrage zum Stand der Umsetzung des Einigungsvertrages eingereicht, deren Beantwortung viele Argumente für die weitere politische Arbeit lieferte. Und während anderswo unnötige Antisemitismus-Debatten geführt wurden, haben wir die Kontakte zu den Jüdischen Gemeinden im Land intensiviert und ich bin auch durchaus stolz darauf, dass wir die einzige politische Kraft in Sachsen waren, die im Juni in Leipzig eine offizielle Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag des Überfalls von Nazi-Deutschland auf die Sowjetunion durchgeführt hat, an der auch der russische Generalkonsul teilnahm.
Und ich finde, es reicht auch nicht, immer wieder über die notwendige Öffnung der LINKEN in die Gesellschaft zu reden – man muss es einfach tun, wie wir es zum diesjährigen Kirchentag in Dresden getan haben. Mit unserem Stand auf dem Markt der Möglichkeiten, aber auch mit dem gemeinsamen Empfang von Bundestags- und Landtagsfraktion für die Gäste des Kirchentages. Es war nach jahrelangen Ausgrenzungen unserer Partei ein überaus wichtiges Zeichen, dass über zwanzig Jahre nach dem Umbruch von 1990 mit Nikolaus Schneider erstmals ein Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirchen in Deutschland bei einer offiziellen Veranstaltung der LINKEN zu Gast war. Hier bin ich auch für die Unterstützung von Bodo Ramelow ausdrücklich dankbar.
Wie ungewöhnlich der Besuch von Präses Schneider war und wie wenig er ins bürgerliche Konzept passte, zeigt der Fakt, dass keine einzige Tageszeitung in Sachsen darüber berichtete. Es passte einfach nicht zur vorherrschenden Stigmatisierung unserer Partei.
Aber wenn wir dieses Land wirklich verändern wollen, dass müssen wir raus aus der Schmuddelecke, dann müssen wir hinein in die Gesellschaft und auch jene Menschen ansprechen, die bislang Probleme mit Positionen der LINKEN hatten oder diese gar nicht kannten. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat viele zum Nach- und nicht wenige auch zum Umdenken gebracht. Diese Chance sollten wir beherzt nutzen! Als Partei ebenso wie als Landtagsfraktion. Und wir sollten auch alles dafür tun, bisherige Nichtwähler zu mobilisieren. Hier gibt durchaus ein großes Potenzial, das wir nicht einfach der Piratenpartei überlassen dürfen.
Ich möchte die Gelegenheit meines Redebeitrages heute auch gern dazu nutzen, allen Abgeordneten und allen Mitarbeitern der Landtagsfraktion für ihre Arbeit in den zurückliegenden Jahren einmal ganz herzlich Dank zu sagen. Ich danke natürlich auch allen Gliederungen der Partei, den Kreisverbänden, den Kreistagsfraktionen, den Arbeitsgemeinschaften und Interessengruppen, die uns in unserer Arbeit aktiv unterstützt haben. Wer nur im Elfenbeinturm sitzt, verliert leicht die Bodenhaftung. Wir wollen und wir brauchen den engen Kontakt zur Parteibasis, wenn wir gemeinsam erfolgreich Politik machen wollen.
(Anrede)
Wolfgang Schäuble hat in dieser Woche bei der vom Staat übernommenen Hypo Real Estate plötzlich mehr als 55 Mrd. EUR gefunden, das ist fast das Vierfache des gesamten sächsischen Jahreshaushalts. Doch der Finanzminister sieht keinerlei Grund für personelle Konsequenzen – von was für Dilettanten werden wir eigentlich regiert? Und das gilt für die Bundesebene genauso wie für das Land Sachsen!
Wir haben mit Stanislaw Tillich einen überforderten Ministerpräsidenten, der immer abtaucht, wenn es ernst wird, Und wenn er doch einmal etwas sagt, wird deutlich, dass er die Zeichen der Zeit nicht erkennt, etwa wenn er nach dem überfälligen Atomausstieg allen Ernstes dafür plädiert, noch stärker auf die Braunkohleverstromung zu setzen oder wenn er sich wie zuletzt vehement gegen einen Mindestlohn zur Wehr setzt, den DIE LINKE seit Jahren fordert und den inzwischen auch viele CDU- und sogar einige FDP-Leute für nötig halten.
Der Stellvertretende Ministerpräsident Sven Morlok von der FDP ist ohne Zweifel der Totalausfall in der Regierung. Außer, dass er wirklich alle halbwegs positiven Ansätze seines Amtsvorgängers schon nach wenigen Monaten wieder gekippt hat, ist er nur noch durch seine indiskutablen Kürzungen beim Öffentlichen Personennahverkehr und seine ebenso verzweifelten wie erfolglosen Versuche aufgefallen, an Autobahnraststätten Pendlern aus Sachsen wieder Arbeitsplätze in ihrer Heimat schmackhaft zu machen. Beim ersten Mal versuchte es der Wirtschaftsminister noch mit gesponserten Eierschecken, zuletzt spendierte er einen kostenlosen Toilettenbesuch. Wie lange will man uns diesen Mann eigentlich noch zumuten. Lieber Herr Tillich, in Ihrem Kabinett gibt es bekanntlich mehrere akute Notfälle und sie können vermutlich nicht alle sofort lösen, aber dennoch fordere ich Sie auf: Befreien Sie die Beschäftigten und befreien sie die Wirtschaft in Sachsen endlich von diesem unfähigen Minister.
Zwei weitere Wackelkandidaten, Markus Ulbig und Jürgen Martens, verantworten die Ressorts für Inneres und Justiz. Ersterer trägt nicht nur die politische Verantwortung für die desolate Polizeistrategie im Zusammenhang mit den Demonstrationen im Umfeld des 13. Februars in Dresden und die Beantragung der massenhaften Ausspähung von Handydaten zehntausender Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die so genannte Extremismusklausel, die Bürgerinitiativen und Vereine zwangsweise unterzeichnen müssen, wenn sie Fördermittel des Landes in Anspruch nehmen wollen.
Der Justizminister wiederum hat all das vergessen, was er noch als Oppositionspolitiker vehement einforderte. Er unterstützt nicht zivilgesellschaftliches Engagement, sondern lässt die ihm unterstellte Staatsanwaltschaft gewähren, wenn sie gegen Menschen vorgeht, die sich Naziaufmärschen in Dresden und anderswo friedlich entgegengestellt haben. Ganz nebenbei hat Herr Martens auch noch die Federführung für die so genannte Staatsmodernisierung und das grandiose Standortegesetz, das im Kern nicht anderes als ein Behörden-Roulette ist. Aufbaubank von Dresden nach Leipzig. Rechnungshof von Leipzig nach Döbeln. Gerichtssitz von A nach B, Finanzamt von C nach D und Polizeirevier von D nach nirgendwo. Ein echtes Konzept war und ist nicht erkennbar. Ich warte nur noch auf den Vorschlag, dass der Sächsische Landtag seinen Sitz auf die Festung Königstein verlegt… Dort wäre man dann zumindest vor Übergriffen unzufriedener Bürgerinnen und Bürger einigermaßen sicher.
Wir haben mit Christine Clauß eine Sozialministerin, die vor den Realitäten im Land die Augen verschließt und weder die drohende Altersarmut noch den absehbaren Pflegenotstand zur Kenntnis nimmt, geschweige denn irgendetwas tut, um dem entgegenzuwirken. Und dass auch der Verbraucherschutz und die Gleichstellung zu ihrem Ministerium gehören, hat die Amtsinhaberin offenbar bis heute nicht begriffen.
Wir haben einen Kultusminister namens Roland Wöller, der einen Professorentitel trägt, obwohl der begründete Verdacht besteht, dass schon seine Doktorarbeit über weite Teile ein Plagiat war. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Aber auch fachlich hapert es mächtig. In den kommenden Jahren werden hier bei uns jeweils 1.500 Lehrer in den Ruhestand gehen, pro Jahr beenden aber nur etwa halb so viele neue Pädagogen ihr Studium und wegen der schlechten Bezahlung in Sachsen gehen einige davon auch noch in den Westen. Herr Wöller hat dagegen kein Konzept. Und auch beim Thema Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen in die Regelschulen, musste der Minister vom Parlament zum Jagen getragen werden. Am Ende war die CDU hier sogar zu einem gemeinsamen Antrag mit den LINKEN bereit, um dem eigenen Minister auf die Sprünge zu helfen.
Was hat denn das Kabinett sonst noch so zu bieten?
Einen Finanzminister, der zwar ohne jede Gegenwehr Milliarden für die Folgekosten der von der CDU in den Ruin getriebenen Landesbank einplant, aber nicht bereit ist, die politisch Verantwortlichen auch juristisch zu belangen. Eine Wissenschaftsministerin, die zwar durchaus einige vernünftige Vorstellungen hat, aber dafür in der eigenen Regierungskoalition keinen Rückhalt besitzt. Einen Minister für Umwelt und Landwirtschaft, der sich weder für die Landwirte stark macht noch die Umweltschützer unterstützt und bei der Umsetzung der Hochwasserschutzmaßnahmen um Jahre im Rückstand ist.
Und nicht zu vergessen: Wir haben einen Minister in der Staatskanzlei, der zwar zur Rückendeckung für den MP als Mann fürs Grobe eingestellt wurde, sich aber inzwischen mit fast allen Kabinettsmitgliedern überworfen hat und am Ende selbst im strukturell CDU-dominierten MDR-Rundfunkrat für den von ihm favorisierten Kandidaten für das Amt des Intendanten nicht mal ein Drittel der Stimmen zusammenbekam. Wenn die CDU selbst im MDR nicht mehr schalten und walten kann wie sie will, das halte ich dann doch schon für ein positives Zeichen. Ach ja, und dann gibt es noch einen Regierungssprecher im gesetzten Alter von 62 Jahren, dem man einfach mal so eine Weiterbildung zukommen lässt, die fast doppelt soviel gekostet hat als der Durchschnittssachse im Jahr verdient.
All das bringt mich zu der Feststellung: Noch nie seit 1990 wurde Sachsen so schlecht regiert wie heute. Wir hatten natürlich auch an den Regierungen unter Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt nicht wenig Kritik zu üben. Aber das, was wir jetzt erleben müssen, ist der absolute Gipfel in negativer Hinsicht. Ich sage: Das haben die Menschen in Sachsen nicht verdient! Nein, es steht wahrlich nicht gut um unser Land, und wir bräuchten in der Tat dringend einen politischen Wechsel, aber die nächsten regulären Wahlen zum Bundestag und zum Sächsischen Landtag finden leider erst in knapp zwei bzw. drei Jahren statt.
Wir haben im Laufe von zwei Jahrzehnten Arbeit als Opposition in Sachsen die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass die überzeugende Darstellung der Schwäche der Regierung nicht auf direktem Wege zur Stärke einer überzeugenden Alternative zur CDU führt. Der CDU ist es gelungen – das darf man neidlos anerkennen –, den Sachsen-Stolz mit der sächsischen Union zu einer schier unverbrüchlichen Einheit zusammenzuschmieden. Das ist im Wesentlichen das Erbe von Kurt Biedenkopf. Und daran hat der Verlust der absoluten Mehrheit im Jahr 2004 leider nicht allzu viel geändert.
Seither gilt scheinbar: Die Koalitionspartner der CDU kommen und gehen, allein die schwarze Macht bleibt bestehen. Bereits 1990 – und seither bei allen Umfragen – wünschten sich die Menschen im Freistaat eigentlich keine allein regierende CDU, wohl aber eine von der CDU geführte Regierung. Es hat dann anderthalb Jahrzehnte gedauert, bis das Wählervotum dem Wählerwillen entsprach. Sieben Jahre danach pendelt die CDU unverdientermaßen immer noch um die 40 Prozent, und nach Lage der Dinge kann sie in Sachsen wohl nur mit vereinten Kräften dreier Parteien von der Macht verdrängt werden.
Wenn man da ist, wo viele Menschen sind, zum Beispiel beim „Tag der Sachsen“, ist als roter Faden der meisten Gespräche zu spüren, dass von der CDU kaum noch jemand wirklich etwas für die Zukunft Sachsens erwartet. Das weiß auch Herr Tillich, und deshalb ist der MP, der sich ja von Anfang an nur höchst ungern zu wirklich wichtigen Themen geäußert hat, dazu übergegangen, mehr oder weniger gar nichts mehr zu sagen. Das unterscheidet ihn übrigens von Biedenkopf, der tatsächlich etwas zu sagen hatte. Mit dem, was er sagte, waren wir oft genug nicht einverstanden, aber es lohnte sich die Auseinandersetzung. Davon kann mit Blick auf Stanislaw Tillich keine Rede sein. Bei ihm ist Schweigen zum Programm geworden.
Vor dem Hintergrund mancher merkwürdiger Debatten der letzten Monate innerhalb der Bundespartei der LINKEN mag es ja sein, dass Schweigen gelegentlich tatsächlich Gold ist. Wer aber Politik machen will, muss auch zum öffentlichen Gespräch über öffentliche Angelegenheiten bereit sein. Das aber ist die CDU unter Herrn Tillich schon lange nicht mehr. Sie ist diskussionsunwillig, unduldsam gegenüber konkurrierenden Meinungen. Die sächsische CDU setzt nicht auf Diskurs, sondern auf Repression. Die zu Recht bundesweit in Verruf geratene „sächsische Demokratie“, auf die ich noch zu sprechen komme, ist das dubiose „Markenzeichen“ der sächsischen Union. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass sich in dem ostdeutschen Bundesland, in dem die friedliche Revolution ihren Ausgang nahm, eine neue autoritäre Staatspartei etabliert hat.
Im Vergleich zur sächsischen CDU ist die bayerische CSU geradezu eine mustergültige Demokratin, und im Unterschied zu Herrn Tillich pflegt Herr Seehofer zu sprechen. Einen Vergleich zwischen bayerischer und sächsischer FDP kann ich mir angesichts des unterirdischen Zustands der Zastrow-Liberalen ersparen, die hiesige FDP läuft außerhalb jeglicher Konkurrenz. Dass Herr Zastrow nun versucht, den Sachsen-Haider zu mimen, ist eine politische Verzweiflungstat, die sich selbst kommentiert.
Die Ablösung der CDU ist überfällig, aber sie wird 2014 nur dann gelingen, wenn DIE LINKE mehr als die Hälfte zu einer neuen Mehrheit beiträgt. Und wenn wir in der Sache streitbar, im Umgang aber pfleglich mit unseren potenziellen Partnerinnen und Partnern umgehen. Ich werde hier natürlich kein Gelübde ablegen, immer lieb zu Frau Hermenau zu sein. Das fällt auch manchmal schwer.
Aber ich verspreche Euch, dass wir auch weiterhin in der Opposition keine Opposition zu anderen demokratischen Oppositionsfraktionen betreiben, sondern den gemeinsamen Angriff auf Schwarz-Gelb in den Mittelpunkt stellen werden.
Bei allen Unterschieden sind sich LINKE, SPD und GRÜNE bei sieben landespolitischen Schlüsselthemen für die Entwicklung Sachsens einig:
- Das Bildungswesen macht die kommenden Generationen nur dann stark, wenn es Kinder und Jugendliche zum längeren gemeinsamen Lernen führt und nicht in verschiedene Milieu-Ghettos trennt.
- Sicherheit schafft man durch Menschen, die aufeinander acht geben, und nicht durch undurchsichtige Überwachungs- und Erfassungsmaschinerien. Deshalb Nein zu IMSI-Catchern und Ja zum Polizeirevier vor Ort!
- Nachhaltig ist eine Politik, deren Folgen das Land nicht langfristig verwüsten, sondern erneuern – deshalb Ja zum schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung und zur Vorfahrt für erneuerbare Energien.
- Kultur ist kein Freizeit-Luxus, der von gnädigen Sponsoren abhängig ist, sondern Grundversorgung bei der Menschwerdung des Menschen. Deshalb dürfen die Kulturräume nicht geschröpft, sondern müssen mit ihrer Substanz weiterentwickelt werden.
- Vom Geldbeutel darf nicht die Zugehörigkeit zum gesellschaftlichen Leben abhängig sein, egal ob es um Klassenfahrten, die Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs oder Sport und Kultur geht. Hier – siehe beispielsweise Sozialticket – besteht zwischen den drei Parteien auch bei der praktischen Realisierung große Einigkeit.
- Wer langzeitarbeitslos ist und trotz demografischer Entwicklung und Fachkräftemangel keine Chancen auf einen Arbeitsplatz hat, muss das Angebot einer Existenz sichernden, sinnstiftenden Tätigkeit erhalten – deshalb braucht auch Sachsen so etwas wie einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, egal welchen konkreten Namen er letztlich trägt.
- Sachsen braucht mehr Demokratie, auch direkte Demokratie. Dazu gehören mehr Jugendmitbestimmung und eine Ermöglichung von Volksentscheiden durch Absenkung der Hürden – das ist bei den demokratischen Oppositionsfraktionen Konsens.
In keinem dieser Punkte gibt es eine relevante Schnittmenge zwischen LINKEN bzw. SPD und GRÜNEN einerseits und der CDU andererseits. Ich denke, dass das neben der übergroßen Mehrheit der Mitglieder und Abgeordneten von SPD und GRÜNEN im Grunde ihres Herzens auch Martin Dulig und Antje Hermenau so sehen. Es gibt also eine solide Basis für eine rot-rot-grüne Alternative zur CDU – an ihr arbeiten wir seit zwei Jahren mit Dutzenden gemeinsamen parlamentarischen Initiativen, und in drei Jahren werden wir, wenn wir konsequent weiter arbeiten, eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler von dieser Alternative überzeugen!
Und wenn FDP und NPD 2014 zurecht aus dem Landtag fliegen, dann gibt es erstmals in Sachsen eine rechnerische Mehrheit gegen die CDU.
Aber wir sollten uns auch keine Illusionen machen. Rechnerische Mehrheiten gab es auch in Thüringen, in Sachsen-Anhalt sowie kürzlich in Mecklenburg-Vorpommern, und jedes Mal sind die Sozialdemokraten eine Koalition mit der CDU eingegangen. Deshalb dürfen wir bei aller Fortsetzung eines kooperativen Stils unsere eigene Profilierung als LINKE nicht aus dem Blick verlieren. Dazu dienen ja auch thematische Festlegungen wie kürzlich in Erfurt und hier auf diesem Parteitag. Eine zweite SPD braucht niemand; deshalb müssen wir auch künftig mit klaren linken Positionen erkennbar sein.
Und wir müssen uns als LINKE in Sachsen auch weiter als geschlossene Partei präsentieren, um nicht erneut die Fehler zu machen, die bei der letzten Landtagswahl maßgeblich zu unseren Verlusten beigetragen haben. Ich jedenfalls werde in der Fraktion meinen Beitrag leisten, dem entgegenzuwirken, und ich erwarte, dass sich auch alle anderen Amts- und Mandatsträger ihrer Verantwortung bewusst sind.
Wir betreiben nicht Opposition um der Opposition willen. Wir wollen das Land, wir wollen die Gesellschaft verändern. Deshalb sind wir ausdrücklich auch dazu bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen, wenn die politischen Inhalte stimmen. An uns soll die Ablösung der CDU nicht scheitern.
Die SPD hat 2014 die Wahl zwischen Stillstand und Aufbruch, zwischen CDU und LINKEN, und sie sollte daran denken, was sie nach 2004 erlebt hat. Von dem, was die sächsischen Sozialdemokraten als kleiner Juniorpartner der Union abringen konnten, ist nichts, aber auch gar nichts mehr übrig geblieben. Der Schulversuch für die Gemeinschaftsschulen war das erste, was von CDU und FDP für beendet erklärt wurde, es folgte die Streichung der Zuschüsse für den so genannten Kommunal-Kombi und dann wurde auch noch das kostenfreie Vorschuljahr wieder abgeschafft.
Und es gibt noch einen anderen wichtigen Grund, warum die CDU 2014 nach dann fast einem Vierteljahrhundert an der Regierung endlich in die Opposition geschickt werden sollte. Ich rede von der spezifischen sächsischen Demokratie, über die inzwischen in ganz Deutschland nur noch der Kopf geschüttelt wird. Von der so genannten Extremismuserklärung war schon die Rede. Ich frage:
Gibt es noch ein anderes Land in der Bundesrepublik, in dem derart viele Verfahren wegen angeblicher Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet werden, die dann im Regelfall eingestellt werden müssen, nachdem man zuvor unter offenkundig falschem Vorwand Abhörmaßnahmen, Durchsuchungs-Beschlüsse und andere Eingriffe in Persönlichkeitsrechte durchgeführt hat und dabei nicht einmal den besonderen Schutz eines Pfarrers und die Informationspflichten gegenüber dem benachbarten Bundesland respektiert?
Gibt es noch ein anderes Land in der Bundesrepublik, wo der Oberbürgermeister einer Stadt (hier von Jena) einen Offenen Brief an den Ministerpräsidenten richtet und daraufhin ein Antwortschreiben vom Generalstaatsanwalt erhält?
Und last but not least: Gibt es noch ein anderes Land in der Bundesrepublik, in dem man sich in der Regierung nicht darüber freut, dass zehntausende Menschen in der Landeshauptstadt friedlich gegen Nazis demonstrieren, sondern in dem statt dessen der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion wegen seiner Teilnahme an diesem Protest als einziger Bürger aus Sachsen vor Gericht gestellt werden soll?
Am 1. August dies Jahres gab es einen vielbeachteten Artikel im „Spiegel“, aus dem ich abschließend zitieren möchte. Dort heißt es: „Wie kein anderes Bundesland hat Sachsen über Jahre hinweg eine Serie unglaublicher Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien produziert. Im Südosten der Republik gelten offenbar auch zwei Jahrzehnte nach dem Untergang der DDR eigene Regeln.
Immer wieder werden eklatante Fälle staatlichen Machtmissbrauchs und polizeilicher Willkür bekannt, ohne dass sich die Verhältnisse grundlegend bessern würden. Der Freistaat, so diagnostiziert der Berliner Geschichtsprofessor Wolfgang Wippermann, sei das ‚rechtskonservativste und unfreieste Bundesland der Republik’. Genau das müssen und das werden wir ändern. Wir brauchen in Sachsen nicht mehr und nicht weniger als die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung.
Zum Schluss möchte ich mich ganz persönlich bei all jenen bedanken, die mich in den zurückliegenden Monaten angesichts der geplanten Anklage gegen mich und in den Debatten um die Aufhebung meiner parlamentarischen Immunität auf vielfältige Art und Weise solidarisch unterstützt haben. Die Klage richtet sich ja nicht in erste Linie gegen mich und die anderen drei betroffenen Fraktionsvorsitzenden der LINKEN. Man will damit die Partei treffen, man will uns und viele anderen Menschen, die sich gegen Nazis zur Wehr setzen, auf diese Weise kriminalisieren und einschüchtern.
Ich kann Euch versichern. Wir werden die Sache bis zu Ende durchfechten. Das sind wir insbesondere auch jenen schuldig, die ohne größere Bekanntheit und entsprechende öffentliche Begleitung wegen ihrer Beteiligung an Anti-Nazi-Aktivitäten ebenfalls juristisch verfolgt werden. Ich lasse mich von niemandem einschüchtern, wir lassen uns nicht einschüchtern und wir werden den Nazis auch 2012 engagiert entgegentreten. Es bleibt dabei: Wir wollen keine Nazi-Aufmärsche, weder in Dresden noch anderswo! Herzlichen Dank.
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