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Wir LINKE wollen mehr Bürgerbeteiligung für die Ortschaftsräte!

Erstellt am: 10 Juli, 2013 | Kommentieren


2. Lesung des Gesetzentwurfs der Faktion DIE LINKE in Drs 5/9560 „Gesetz zur Stärkung der Ortschaftsverfassung im Freistaat Sachsen“ am 11. Juli im Sächsischen Landtag

Die Ortschaftsverfassung stellt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung eine besondere Selbstverwaltungsform dar. Sie soll die Integration von Ortsteilen in das Gemeindeganze unterstützen, die örtliche Identität und die Eigenverantwortlichkeit der Ortschaft bewahren helfen.

Durch die mit dem Gesetzentwurf verfolgte Stärkung der Ortschaftsverfassung sollen die bürgerschaftliche Beteiligung, das aktive Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger an der Entscheidungsfindung gestärkt werden und die Interessen der Ortschaft in den Beschlüssen des Gemeinderates mehr als bisher Berücksichtigung finden.

In den beiden letzten Jahrzehnten ist die Anzahl der Gemeinden im Freistaat Sachsen drastisch zurückgegangen. Ende 1992 existierten in Sachsen 1 614 selbständige Städte und Gemeinden. Deren Zahl verringerte sich bis Anfang 2010 auf 485. Mit den am 26. Oktober 2010 von der Staatsregierung beschlossenen „Grundsätze(n) für freiwillige Zusammenschlüsse von Gemeinden im Freistaat Sachsen“ wird das Ziel verfolgt, die Anzahl der politisch selbständigen Gemeinden durch die Schaffung von großen Einheitsgemeinden noch einmal spürbar zu verringern. Im Ergebnis dieses neuen kommunalen Leitbildes reduzierte sich die Anzahl der Gemeinden zum 1. Januar 2012 bereits auf 458.

Eine solche Entwicklung ist zwangsläufig mit einem Identitätsverlust für die Bürgerinnen und Bürger bisher selbständiger Gemeinden verbunden, welche in einer neuen – oft flächenmäßig stark ausgedehnten – großen Einheitsgemeinde aufgeht. Der hierdurch objektiv zu konstatierende Verlust der Möglichkeiten für direktes demokratisches und bürgerschaftliches Engagement der Einwohnerinnen und Einwohner erfordert geradezu ein Gegensteuern des Gesetzgebers wie der Gemeinden selbst, unter anderem durch eine Stärkung der Ortschaftsverfassung.

Mit der vorliegenden Novelle strebt die Fraktion DIE LINKE eine Stärkung der Ortschaftsverfassung an, die die mit den Gemeindezusammenschlüssen verloren gegangene örtliche Identität und demokratische Substanz in gewissem Umfang ausgleicht.

Insbesondere kann dies durch erweiterte Möglichkeiten einer stärkeren eigenverantwortlichen bürgerschaftlichen Verwaltung in der engeren örtlichen Gemeinschaft geschehen. Die örtliche Identität und eine angemessene Eigenständigkeit der Ortschaften sollen durch die Nutzung der besonderen Ortskenntnisse der Einwohnerinnen und Einwohner der Ortschaft, die eine sachgerechte Berücksichtigung der örtlichen Belange ermöglichen, gefördert werden, ohne dadurch den verfassungsrechtlich gewährleisteten Charakter der Gemeinden als Einheitsgemeinden zu gefährden.

Die Gesetzesnovelle beinhaltet im Wesentlichen folgende Änderungen und Ergänzungen der Sächsischen Gemeindeordnung zur Ortschaftsverfassung sowie eine sich daraus notwendig ergebende Ergänzung des Kommunalwahlgesetzes:

  1. Die Einführung der Ortschaftsverfassung in allen oder einzelnen Ortsteilen oder Ortschaften der Gemeinde bleibt weiterhin grundsätzlich der Entscheidung des Gemeinderates überlassen; sie wird auch künftig zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltung nicht durch Gesetz vorgeschrieben. Jedoch soll hierdurch Entscheidungen von Gemeinderäten, aus Gründen der Kosteneinsparung auf die Einführung der Ortschaftsverfassung zu verzichten, nicht Vorschub geleistet werden. Deshalb sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Ortschaftsverfassung in den Ortsteilen bzw. Ortschaften einzuführen ist, wenn die dort wohnenden Bürgerinnen und Bürger für ihre Ortschaft die Einführung der Ortschaftsverfassung durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid verlangen.
  2. Die Einrichtung einer örtlichen Verwaltung in Ortschaften bleibt auch weiterhin grundsätzlich der Entscheidung der Gemeinde überlassen. Jedoch wird durch die aufgenommene Sollvorschrift in § 65 Abs. 5 SächsGemO klargestellt, dass im Regelfall in Ortschaften mit mehr als 3 000 Einwohnern eine örtliche Verwaltung einzurichten ist.
  3. Die Stellung des bisherigen Ortsvorstehers wird dadurch gestärkt, dass dieser künftig die Bezeichnung „Ortsbürgermeister“ trägt und von den Bürgerinnen und Bürgern der Ortschaft für die Dauer der Wahlperiode des Gemeinderates direkt gewählt wird. Hierdurch soll eine höhere gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung dieser ehrenamtlichen Tätigkeit erreicht werden. Das Vorsehen einer direkten Wahl des Ortsbürgermeisters hat zwangsläufig zur Folge, dass eine Regelung bezüglich einer möglichen Abwahl zu treffen ist. Diese erfolgt durch den Verweis auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften in § 51 Abs. 7 bis 9 SächsGemO.
  4. Die Stellung des Ortsbürgermeisters wird auch dadurch gestärkt, dass er künftig nicht nur das Recht erhält, an allen Sitzungen des Gemeinderates mit beratender Stimme teilzunehmen, sondern auch zu Belangen der Ortschaft Anträge stellen kann. Zudem ist er wie ein Mitglied des Gemeinderates zu dessen Sitzungen zu laden. Künftig soll es zu den Verpflichtungen des Bürgermeisters gehören, den Ortsbürgermeister in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 52 Abs. 4 SächsGemO über alle wichtigen, die Gemeinde und ihre Verwaltung betreffenden Angelegenheiten, über wichtige Planungen und Vorhaben, über Absichten und Vorstellungen der Gemeindeverwaltung sowie laufend über den Stand und die Vorbereitung der Planungsarbeiten zu informieren.
  5. Die Aufgaben und Befugnisse des Ortschaftsrates werden gegenüber den bisherigen Regelungen in der Sächsischen Gemeindeordnung detaillierter aufgenommen. Die Angelegenheiten, in denen der Ortschaftsrat selbständig entscheidet, entsprechen dabei den bisher in § 67 Abs. 1 SächsGemO enthaltenen Angelegenheiten. Näher ausformuliert werden – auch in Anlehnung an die diesbezügliche Gesetzgebung in Sachsen-Anhalt und Thüringen – die Angelegenheiten, in denen der Ortschaftsrat ein Anhörungs-, Vorschlags- und Antragsrecht zur Durchsetzung der Belange und Interessen der Ortschaft hat.
  6. Die Stellung und die Rechte des Ortschaftsrates in der Gemeinde werden insbesondere dadurch gestärkt, dass ihm gegen Beschlüsse des Gemeinderates, die nachteilige Auswirkungen auf die Belange der Ortschaft haben können, ein Widerspruchsrecht mit aufschiebender Wirkung eingeräumt wird.
  7. Eine zentrale Regelung des Gesetzentwurfs zur Aufwertung der Ortschaftsverfassung bildet die Aufnahme einer Bestimmung, nach der die Ortschaft gegen die Gemeinde einen Anspruch darauf hat, dass ihr die finanziellen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben in angemessenem Umfang zur Verfügung gestellt werden. Aus den der Gemeinde für die Erfüllung freiwilliger Aufgaben verbleibenden Haushaltsmitteln soll den Ortschaftsräten ein bestimmter Anteil in Form eines Budgets überantwortet werden. Über die Verwendung des Budgets entscheidet der Ortschaftsrat im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich. Die Haushaltsplanung bleibt in der Zuständigkeit des Gemeinderates.
  8. Die Anwendung der §§ 24 und 25 SächsGemO zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in den Ortschaften wird gesetzlich vorgeschrieben. Die Gemeinde regelt das Nähere in ihrer Hauptsatzung.
  9. Durch die Einführung der Direktwahl des Ortsbürgermeisters macht sich schließlich die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in das Gesetz über die Kommunalwahlen im Freistaat Sachsen erforderlich. Diese bestimmt, dass der Ortsbürgermeister am Tag der Wahl zum Gemeinderat in einem Wahlgang mit der Mehrheit der Stimmen der in der Ortschaft Wahlberechtigten gewählt wird.

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